Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen, abstract art now: strictly geometrical
Thomas Hirsch
Im Anschluss an eine Bildfolge, welche die regelmäßigen Rasterungen gleichförmiger Hochhausfassaden als gegenstandsfreie
geometrische Farbfeldmalerei interpretiert, entwickelt Gabriele Langendorf 1994 den Kollektionsständer.
Dieser ist tatsächlich, was er bezeichnet. Er besteht aus einem Gerüst das, auf Rollen beweglich, rein funktional ist.
Die Musterlaschen sind eingehängt und ohne weiteren Aufwand herauszunehmen und vorzuführen.
Gegeben sind Stoffe mit unterschiedlichen seriellen Ordnungen in einer verhaltenen Farbigkeit.
Der Kollektionsständer dient als Fundus für Auftragsarbeiten. Er stellt alternative Motive vor, die ad libitum im gewünschten Format
als Gemälde realisiert werden können. Im Sinne standardisierter Produktionsabläufe findet der Auftrag mittels Schablonen und
Schwämmchen statt. Die Ausschließlichkeit der Module suggeriert eine (grundsätzlich) endlose, damit begriffsfreie Fortsetzbarkeit.
In diesem Sinne impliziert der Kollektionsständer ebenso die konzentrierte Erprobung von Malerei wie ein nüchternes Repetieren
selbstreferenzieller Systeme. Er ist Werkverzeichnis (indem er von bestehenden Gemälden ausgeht) und versteht sich als Nucleus
der bildnerischen Inventio. Und er führt die gegenständliche Anmutung der vorausgehenden wie auch nachfolgenden Werkgruppen
auf gegenstandsfreie Modi zurück. Diese Serien, die Gabriele Langendorf über den Zeitraum mehrerer Jahre verfolgt hat, verhandeln
verschiedene Aspekte von Behausung. Im Anschluss an die fokussierten Ausschnitte von Funktionsbauten entstehen die Schiffsbilder,
welche die Sicht auf das Meer oder das bebaute Ufer richten, sodann die Schilderungen standardisierter Einrichtungen in Hotelzimmern
unterschiedlicher Couleur und schließlich die Einblicke in die Schlafräume von Freunden.
Dabei wechselt Gabriele Langendorf mit dem Atmosphärischen zugleich die Malweise, die vermeintliche Stillosigkeit erweist sich als Stil:
Ihre Malerei ist selbst hier Konzept, bleibt theoretisch genährt. Die Konstruktion der Interieurs folgt konstant den gleichen Verfahren;
in den Zimmern mit Aussicht Mitte der 1990er Jahre orientiert sie sich zudem an den Raumkoordinaten und ist dort geradezu schematisch
angelegt. Gewiss spielen bei diesen Werkgruppen biografische Aspekte ebenso eine Rolle wie die Reflexion der Verfügbarkeit und
Vieldeutigkeit der Zeichen in der heutigen Informations- und Datenflut.
Beim Kollektionsständer nun -der als Objekt zu bezeichnen ist und von Bildern und Malerei handelt- verfügen die einzelnen Stoffflächen
über gleichmäßige bildparallele Strukturen, die an die Bauten des russischen Konstruktivismus erinnern könnten und sich analog in
den Fotografien von Günther Förg, dessen insistierend sachlichem Abschreiten von Gebäuden finden.
Ähnliche Verfahren des Näherzoomens und der Betonung konstruktiver Ordnung in der (anonymen) städtischen Architektur
liegen innerhalb der heutigen jüngeren Malerei etwa bei Sarah Morris und Myriam Resch vor.
Als sukzessives Verspannen von Raum in der Fläche weisen die Musterlaschen des Kollektionsständers Parallelen zur Malerei der
1920er Jahre von Künstlern wie Rudolf Jahns auf. In ironischer (und zeitgemäß konzeptueller) Weise ist natürlich die Idee des
Angewandten berührt, die ja Bauhaus, De Stijl und Konstruktivismus beschäftigte.
Der Kollektionsständer setzt Chiffren für die Welt mit dem Nicht-Mimetischen gleich.
Langendorfs Arbeit markiert die Schnittstelle zwischen tatsächlicher Gegenstandslosigkeit und denkbarem Abbild: gewonnen aus der
Geometrie und der Autonomie der Farbformen.
Thomas Hirsch