Ein Atemzug, ein Pinselstrich
Über die Malerei von Gabriele Langendorf von Markus Lepper

Die realistische Malerei erfährt derzeit beim breiten Publikum bedenkenlos Anerkennung, und auch Gabriele Langendorf lässt keinen Zweifel daran, dass sie „etwas kann“. Doch könnte ein eingeschworenes Kunst-Publikum nicht unterstellen, da zöge sich jemand auf sicheres Terrain zurück, indem handwerkliches Geschick bis hin zur faszinierenden Täuschung, ja sogar unterschiedliche künstlerische Stile und Handschriften in Perfektion demonstriert würden? Sie malt uns Schiffe, Betten, Hotelzimmer und immer wieder Wasser: Domestiziert und kühl in einem Hafenbecken, dem Stil der Sachlichkeit verpflichtet oder aber mit schäumender Oberfläche, in tosender Aufregung und im Licht des Impressionismus illuminiert.
Den Geschworenen könnte man entgegnen, so wirke es eben nur auf den ersten Blick, denn im Grunde gehe es um das Malen selbst und um die Zeit, die man damit verbraucht.
„Den Augenblick zu erfassen, wohl wissend, dass man ihn nicht erhäschen kann, denn diesen Augenblick wird man stets verpassen“, schrieb der französische Theoretiker Jean-Frangois Lyotard in seinem Buch über Philosophie und Malerei und folgerte daraus: „Wenn es etwas gibt, das die Idee der Serie ausmacht, dann gerade die Idee des Augenblicks.“
Man könnte also annehmen, es gehe in den Bildern von Gabriele Langendorf um die Zeit, die augenblicklich aus dem Leben der Malerin verschwindet, sobald sie in die Leinwand eingeschrieben wird.

Der tonnenschwere Luxuskreuzer ‚MS Europa‘ liegt vor uns wie ein riesiger Fisch aus Stahl. Das Bild hat, trotz seiner maritimen Prägung, auch etwas von der Wucht eines Gletscherpanoramas. Ob die Bewunderung der Malerin der schieren Masse des Schiffes gilt oder vielmehr dem archimedischen Prinzip, vermag ich nicht zu bestimmen. Entscheidend für die Blau-in-Blau Malerei, die mit der Farbe des Meeres und des Himmels gleichermaßen spielt, ist das Wasser selbst. Denn es ist hier nicht nur bildintern bedeutsam als die dunkelblaue Fläche, auf der sich das Schiff scheinbar spiegelt, sondern auch ganz real als die Materie, mit der Pigmente lasierend aufgebracht wurden, um die Scheinhaftigkeit des Bildes vorzuführen.
Wie durch eine beschlagene Glasscheibe, an der Wasser herab rinnt, erkennt man die Idee dieser Malerei, wenn man sich auf den Kopf stellt: das nicht ganz kalkulierbare Fliessen der Farbe tritt in den Vordergrund und bringt den Realismus und den Koloss aus Stahl zum Verschwinden.
Wie das Bildnis des Dorian Gray.