Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Juni 1993
Anti-Idyllen mit Sonnenschirmen
Gabriele Langendorfs Zivilisations-Serigraphien in der Kunsthandlung Huber-Nising
Ein Balkon mit grünen Kletterpflanzen, roten Geranien und buntem Sonnenschirm könnte ein freundliches Motiv sein. Bei Gabriele Langendorf wird es zum AntiIdyll:
Ihr 1992 entstandenes Ölgemälde „Pelagonium Peltatum“ zeigt den Ausschnitt einer Hochhausfassade, auf dem in gleichförmiger vertikaler und horizontaler Reihung gleich 49 solche identischen Sommerbalkone zu sehen sind.
Ebenso serienweise und akribisch genau malt sie Balkone mit rot-weiß gestreiften Markisen, Petunien oder eine Mietshausfassade in der Nordweststadt, gegen deren graue Eintönigkeit die Bewohner vergeblich mit ein paar adretten Blümchen auf den winzigen Balkonen anzukämpfen scheinen.
Langendorfs Bilder von normierter Architektur und standardisierten Lebensformen wirken zwar ironisch verfremdet, aber „alle meine Häuser existieren in der Wirklichkeit", teilt die Künstlerin im Katalog mit: Die zwangsläufig entstehenden Wiederholungen auf ihren Bildern seien für sie keine malerischen Schematisierungen, sondern „Schemata der Realität“. Ihre kritische Auseinandersetzung mit der ermüdenden Gleichförmigkeit und Anonymität vieler Gegenwartsbauten gilt aber genauso südlichen Ferienquartieren. Ob am Faakersee oder Klopeinersee in Kärnten oder an der exotischen Karaoke Beach: überall schieben sich auf Gabriele Langendorfs Bildern riesige stereotype Hotelkästen in Landschaften an den betörend blauen Gewässern. Menschen sind in der fast albtraumhaften Leere nicht zu sehen, nur die sanften blaugrüncn Hügelformen am Horizont lassen sich als überdimensionierte weibliche liegende Körper ausmachen.
Ausgangspunkt ihrer Gebäudeporträts sind Polaroid-Fotos und Reisekataloge. Ihre Bilder auf den großformatigen Leinwänden, die sie zunächst mit zahlreichen parallelen senkrechten und waagrechten Linien versehen hat, malt sie mit Hilfe von Papierschablonen.
Ein „Stakkato aus Farben und Formen“ entsteht (Peter Repp im Katalog) - bunt und akkurat, eine Bildwelt, die eine Wirklichkeit unserer Zeit mit den Mitteln diskreter Verstörung spiegelt.
Die 1961 in Rheinfelden geborene Gabriele Langendorf war zunächst als Textilmustergestalterin tätig und hat nach dem Studium an der Basler Hochschule für Gestaltung von 1989 bis 1991 als Gast an der Städelschule bei Reimer Jochims weiterstudiert. Seither lebt sie in Frankfurt. (Bis 12. Juni bei Huber Nising.)
kcd