Rheinische Post: Düsseldorfer Feuillton, 11. Mai 2002, Nr. 108
Intime Betten-Bilder
Interieurs von Gabriele Langendorf bei Ursula Walbröl zaubern das Wesen der Bewohner malerisch ans Licht. Der Betrachter würde gerne mehr erfahren.
Ein akkurat geknufftes Sofakissen verrät, dass hier ein psychisch labiler Mensch wohnt, dem die äussere Ordnung Halt gibt. Behaupten Psychologen. Seelisch
gefestigte Zeitgenossen würden hingegen schulterzuckend über das Chaos in Bad oder Küche hinwegschauen. Wer innerlich aufgeräumt hat, kommt eben auch im
konfusen Ambiente klar.
Ob es stimmt, dass sich der Charakter oder das Wesen eines Menschen in dessen Anwesen, sprich: seinen vier Wänden, spiegelt, hat die Malerin Gabriele Langendorf
in einem sehenswerten, soziologisch angehauchten Malexperiment überprüft. Zunächst bat sie Freunde und Bekannte um Fotos ihrer Schlafzimmer. Die verräterischen
Indizien verwandelte sie anschließend in verträumte oder albtraumhafte Interieurs. Offenbar mit der Absicht, auch das Wesen der Bewohner durch eine entsprechende Farbigkeit
und Linienführung malerisch ans Licht zu zaubern.
Beim Anblick der unterschiedlichen Bettenbilder würde man gerne mehr über die Bewohner erfahren. Nicht zuletzt, um die obenbeschriebene These vom "portraithaften Ambiente" zu überprüfen.
Indes - die Künstlerin wahrt die Intimsphäre ihrer Bildlieferanten. Die Titel der Gemälde verraten nur den Standort der abgebildeten Schlafräume ("Karlstraße 12"; "Bergerstraße 174").
Man lernt den Blickwinkel der Freunde und in einem zweiten Schritt die Sichtweise der Künstlerin kennen.
Verblüffend ist darüber hinaus die stilistische Vielfalt, mit der Langendorf die auf den Fotografien ablesbaren Stimmungen malerisch akzentuiert. Die Atmosphäre einer ehen schlichten
und chaotischen Schlafstätte wird zum Beispiel recht grob, rasch und virtuos eingefangen (im Stil ein wenig an Van Gogh erinnernd: "Petersgraben 52", Öl auf Nessel, 2000).
Andere Räume kopiert sie beinahe pedantisch bis ins winzigste ornamentale Detail. Die in Frankfurt lebende Künstlerin (Jahrgang 1961) erweist sich somit als malerisches Chamäleon.
Sämtliche Formensprachen scheinen ihr mühelos aus dem Pinsel zu quellen. Will sie etwa dem ähnlich vielgestaltigen Schaffen von Gerhard Richter Konkurrenz machen? Wohl kaum.
Denn ihre Entscheidung über Farbigkeit, Format und Stil trifft sie ja nicht aus purer Experimentierfreude oder Lust an der Malerei. Es sind vielmehr die "Raum-Portraits" und die
Charaktere ihrer Freunde, die eine jeweils stimmige Mal-Richtung nahelegen.
Die spannungsreiche Interieur- Sammlung in der Galerie Walbröl ermuntert zum Erfinden von Geschichten rund ums Wohngemach. Ein Paar achtlos abgestreifter Damenschuhe hier,
ein sich sinnlich plusterndes Oberbett dort. Am Ende bleibt die hinter ihren Mal-Dialekten angetauchte, talentierte Künstlerin wohl genauso rätselhaft wie ihre Psycho- Genrebilder.
Klaus Sebastian